Corona-Virus und Epilepsie

Derzeit erreichen uns viele Fragen zum Umgang mit dem Corona-Virus und dessen Auswirkungen auf die Epilepsie. Wir haben mit Prof. Dr. Andreas Schulze-Bonhage, dem 1. Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie DGfE gesprochen und ihn gebeten, einige dieser Fragen zu beantworten (Stand: April 2020). Auch das Epilepsiezentrum Hamburg hat die häufigsten Fragen rund um Epilepsie und das Corona-Virus zusammengestellt. Die Informationen gibt es auf der Webseite des Zentrums auch in Leichter Sprache. Hinweise gibt es auch auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie e.V.

Frage: Es gilt mittlerweile eine sogenannte Maskenpflicht in Deutschland. Gibt es bei Menschen mit Epilepsie etwas Besonderes zu beachten?

Schulze-Bonhage: Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen zum Fremdschutz ist für Epilepsiepatienten grundsätzlich unbedenklich. Nur beim Anfall kann eine nicht gut sitzende Maske verrutschen und gegebenenfalls dann die Atemwege verlegen, wenn sie nicht gut befestigt ist (vgl. dazu die Hinweise auf der Webseite der BG Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse). Ich würde daher eine Maske nur in den vorgeschriebenen Situationen tragen wie im öffentlichen Personennahverkehr oder beim Einkaufen – das variiert von Bundesland zu Bundesland und ändert sich. Sich auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums oder den Webseiten des jeweiligen Landesgesundheitsministeriums zu informieren, ist daher ratsam.

Frage: Was ist beispielsweise beim „social distancing“ bei Menschen mit Epilepsie zu beachten, die auf eine Begleitperson außerhalb ihres Hausstandes angewiesen sind?

Schulze-Bonhage: Begleitpersonen, die regelmäßig zur Betreuung erforderlich sind, können nicht unter die Regel des „social distancing“ fallen und müssen natürlich auch auf einen geringeren Abstand an die zu betreuenden Patienten herangehen wie bei Krankenschwestern und Ärzten. Wichtig ist hierbei, darauf zu achten, dass diese bei Auftreten von Covid-verdächtigen Symptomen ihre Tätigkeit nicht ausüben, sondern zu Hause bleiben und sich um eine Vertretung bemühen.

Frage: Können die Medikamente auch während der Behandlung im Krankenhaus genommen werden, auch wenn beatmet wird?

Schulze-Bonhage: Intubierte und beatmete Patienten können Tabletten nicht schlucken. Daher müssen sie hier Medikamente über eine Magensonde erhalten. Oder es muss eine Umstellung auf Antiepileptika erfolgen, die intravenös gegeben werden können. Der betreuende Epileptologe kennt die Krankheitsgeschichte und die Erfolge und Misserfolge früherer Behandlungen und kann daraufhin eine Empfehlung aussprechen.

Frage: Ist die Versorgung mit den Präparaten gesichert oder muss umgestellt werden?

Schulze-Bonhage: Nach meinem Wissensstand ist die Versorgung mit Antiepileptika nicht schlechter und nicht besser als im vergangenen Jahr. Aktuell ist Mylepsinum nicht lieferbar, ferner Lamotrigin acis und Keppra Saft. Das ist aber nicht wesentlich anders als vor der Corona-Zeit.

Frage: Kann ich als Epilepsiepatient gegebenenfalls die in Erprobung befindlichen Medikamente gegen Covid-19 einnehmen und wie wirken sie sich auf die Epilepsie aus?

Schulze-Bonhage: Es gibt keine hinreichenden Erfahrungen mit in Erprobung befindlichen Medikamenten gegen Covid-19 bei Epilepsien. Im Zweifel stellt akut die Virusinfektion die größere Bedrohung dar und ihr Einsatz kann erfolgen. Es ist jedoch aufgrund der Verstoffwechselung dieser Medikamente mit einigen Wechselwirkungen zu rechnen, die sich auf die Medikamentenspiegel von Antiepileptika auswirken können. Eine entsprechende Liste erwarteter Interaktionen, die von der Internationalen Liga gegen Epilepsie autorisiert wurde und auch auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie. Unabhängig hiervon ist jedoch zu beachten, dass auch zugelassene Behandlungen – etwa mit Antibiotika bei bakteriellen Superinfektionen – zu erheblichen Wechselwirkungen mit Antiepileptika führen können. Ihre Auswahl sollte daher ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Epileptologen erfolgen, damit angemessene Anpassungen der Behandlung erfolgen können.

Frage: Erhöht der Sauerstoff die Anfallsbereitschaft und was passiert, wenn jemand während der Beatmung einen tonisch-klonischen Anfall bekommt?
Schulze-Bonhage: Die Gabe von Sauerstoff, wie sie bei Beatmungen erfolgt, erhöht nicht die Anfallsbereitschaft. Wenn jemand während der Beatmung einen tonisch-klonischen Anfall erleidet, kann dies aber zu Problemen führen. Eine unmittelbare Unterbrechung von Anfällen ist bei Beatmung erforderlich: Alle Patienten haben hierzu einen verfügbaren intravenösen Zugang, über den ein Notfallmedikament (z.B. Midazolam) unmittelbar verabreicht werden kann. Während der Zeiträume der vollständig maschinellen Beatmung sind Patienten sediert – hier ist daher eine Verstärkung des antiepileptischen Schutzes nicht nur sinnvoll, sondern auch ohne wahrgenommene Nebenwirkungen möglich, um das Auftreten tonisch-klonischer Anfälle zu vermeiden. Eine starke Hyperventilation (Über-Beatmung etwa mit hoher Atemfrequenz) kann epileptische Anfälle provozieren.

Seite teilen: