Einfälle Nr. 158 | 2. Quartal 2021

Liebe Leserinnen und Leser – liebe Freunde und Förderer,

Epilepsien gelten als gut behandelbare neurologische Erkrankungen, bei denen in vielen Fällen mit Medikamenten Anfallsfreiheit erreicht werden kann – die aber auch dann nicht als geheilt gelten können. Oft müssen die Medikamente über viele Jahre, nicht selten ein Leben lang, eingenommen werden. Nach mehreren Jahren der Anfallsfreiheit kann zwar versucht werden, die Medikamente langsam abzusetzen, und es bleiben dann – in Abhängigkeit von der Form der Epilepsie – bis zur Hälfte der Betreffenden anfallsfrei. Wer zehn Jahre anfallsfrei war und davon in den letzten fünf Jahren keine Medikamente gegen die Epilepsie eingenommen hat, bei dem-/derjenigen gilt die Epilepsie als geheilt. Warum das so ist, ist allerdings nicht bekannt.

Wenn Medikamente nicht ausreichend wirken oder nur um den Preis nicht akzeptabler Nebenwirkungen, gibt es weitere Behandlungsmöglichkeiten. Diese ersetzen – um das vorwegzunehmen – zwar in der Regel nicht die medikamentöse Behandlung, können aber in Kombination mit dieser gegebenenfalls doch noch zur Anfallsfreiheit führen. Mit einer Gruppe dieser zusätzlichen Therapien – den operativen Behandlungsverfahren – beschäftigen wir uns im Schwerpunkt dieses Heftes.

Prinzipiell kann unterschieden werden zwischen Verfahren, deren Ziel das Erreichen von Anfallsfreiheit ist (resektive Epilepsiechirurgie, Stereotaktische Laser-Thermoablation) und den neurostimulativen Verfahren (Vagus-Nerv-Stimulation, Tiefe Hirnstimulation) bei denen es eher um eine deutliche Reduktion der Anfälle geht. Allerdings: Auch mit den operativen Verfahren kann eine Epilepsie nicht geheilt werden und eine Operation ist keine Garantie dafür, dass in jedem Fall Anfallsfreiheit erreicht wird. Aber: Sie bieten eine gute Chance auf Anfallsfreiheit oder zumindest eine deutliche Reduktion der Anfälle für diejenigen, bei denen Medikamente nicht oder nicht ausreichend wirken. Alles weitere dazu in diesem Heft.

Wir sollten uns allerdings davor hüten, das Ziel der Epilepsiebehandlung ausschließlich auf das Erreichen von Anfallsfreiheit zu reduzieren, da eine Epilepsie immer den ganzen Menschen in seinem gesamten individuellen Lebenskontext betrifft. Das ist eigentlich keine neue Erkenntnis – allerdings wird sie zu oft sowohl von den Menschen mit Epilepsie selbst als auch vom Versorgungssystem für Menschen mit Epilepsie vergessen. Vorrangiges Ziel sollten immer gute Lebensbedingungen und eine hohe Lebenszufriedenheit sein; das kann unter Umständen auch erreicht werden, wenn weiterhin epileptische Anfälle auftreten. Wie das gelingt? Die von Gerd Heinen, Rosa Michaelis und Siegward Elsas herausgegebenen Arbeitshefte zum Thema Selbst handeln bei Epilepsie können dabei eine wirkungsvolle Unterstützung sein. Sie sind sowohl zum Selbststudium als auch zum Einsatz in Gruppen geeignet. Weiteres dazu in diesem Heft.

Darüber hinaus beschäftigen wir uns in diesem und im folgenden Heft mit einem Thema, das leider immer noch zu wenig öffentlich besprochen wird: Dem plötzlichen, unerwarteten Tod bei Epilepsie (SUDEP; vgl. dazu auch die Beiträge einfälle 133, I. Quartal 2015). Insbesondere beschäftigen wir uns mit der Frage, wie dieser verhindert oder zumindest die dadurch bedingten Todesfälle deutlich reduziert werden können – z.B. durch eine verbesserte Aufklärung und den Einsatz von Wearables.

Es gibt noch viele weitere wichtige Themen, die wir im vorliegenden Heft besprechen, denen hier aber nicht vorgegriffen werden soll. Ein Thema – das uns sicherlich alle beschäftigt – besprechen wir allerdings nicht: Die Covid-19- Pandemie. Es gibt dazu zwar wieder zwei Interviews, die wir allerdings im vorliegenden Heft aus Platzgründen nicht veröffentlichen können – Interessierte finden sie im Informationspool auf unserer Webseite. Zurzeit scheint sich die Lage zwar zu entspannen und es ist wieder sehr viel mehr möglich – aber wir sollten alle auf der Hut sein, denn die Pandemie ist noch nicht vorbei. Auch sollten wir nicht die fast 90.000 Toten vergessen, die wir in Folge der Pandemie zu beklagen haben.

Dennoch: Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern trotzdem einen schönen Sommer und passen Sie alle gut auf sich auf!

In diesem Sinne grüßt Euch/Sie herzlich

Norbert van Kampen

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Titelbild der Mitlieder-Zeitschrift "einfälle" Nr. 158

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