Einfälle Nr. 166 | 2. Quartal 2023

Liebe Leserinnen und Leser – liebe Freunde und Förderer,

Epilepsie und Psyche ist ein weites Feld, das kaum in einem Heft umfassend besprochen werden kann. Zunächst einmal erscheint es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass Epilepsien (das gilt für andere chronische Erkrankungen auch) den daran erkrankten Menschen einiges abverlangen. Jeder Mensch mit einer chronischen Erkrankung weiß das: Es gibt gute und schlechte Tage; Tage, an denen ich sehr glücklich bin und meine Erkrankung fast vergesse und Tage, an denen einfach alles schiefläuft und meine Stimmung – durchaus auch mal länger – ziemlich schlecht ist. Auch ist absolut nachvollziehbar, dass Menschen mit Epilepsie nicht nur Ängste vor ihrem nächsten Anfall haben, sondern auch Angst davor, aufgrund ihrer Epilepsie zum Beispiel von anderen Menschen nicht ernst genommen oder gar gemieden zu werden. Das alles ist „normal“ und sollte nicht mit einer psychischen Erkrankung verwechselt werden.

Auf der anderen Seite ist bekannt, dass bei Menschen mit einer schwer behandelbaren Epilepsie, bei denen immer wieder Anfälle auftreten, häufig begleitend psychische Beeinträchtigungen oder Erkrankungen auftreten, die als eigenständige Erkrankungen ernst genommen und als solche behandelt werden sollten – was durchaus auch bei anfallsfreien Menschen der Fall sein kann. Das heißt nicht – und das wird häufig missverstanden – dass Epilepsien per se mit psychischen Begleiterkrankungen einhergehen. Es gibt viele Menschen mit einer Epilepsie, bei denen, abgesehen von ihren Anfällen, keine weiteren gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen – aber es gibt eben auch die anderen.

Wir haben uns entschlossen, in diesem Heft zwei psychische Erkrankungen, die zusätzlich zu einer Epilepsie auftreten können, näher zu betrachten: Depressionen, die eher häufiger vorkommen und Persönlichkeitsstörungen, die eher seltener auftreten. ACHTUNG: BITTE GENAU LESEN, WAS HIER STEHT! Hier steht nicht, dass Menschen mit Epilepsie generell eine Persönlichkeitsstörung haben – aber es gibt auch Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung, die zusätzlich an einer Epilepsie erkrankt sind.

Wir haben bewusst darauf verzichtet, die Zusammenhänge zwischen den genannten psychischen Erkrankungen und der Epilepsie darzustellen. Es geht uns vielmehr darum, Depressionen und Persönlichkeitsstörungen als eigenständige Erkrankungen näher in den Blick zu nehmen und darzustellen, was diese für die Betreffenden bedeuten und welche therapeutischen Möglichkeiten es gibt. Das kann nicht nur hilfreich für Menschen sein, die zusätzlich zu diesen Erkrankungen eine Epilepsie haben; vielmehr hilft es uns allen, den Betreffenden offener und vor allem vorurteilsfrei gegenüberzutreten und sie nicht auszugrenzen. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen gilt, was auch für Menschen mit Epilepsie und anderen chronischen Erkrankungen gilt: Die Erkrankung ist ein wichtiger Teil von ihnen – aber eben nur ein Teil, als Menschen sind sie so viel mehr.

Häufig berichten Menschen mit Epilepsie über Probleme mit ihrem Gedächtnis oder zum Beispiel darüber, dass sie sich schlecht konzentrieren können. Deshalb ist es wichtig, diese und weitere kognitive Einschränkungen, die bei einer Epilepsie auftreten können, näher in den Blick zu nehmen. Es geht uns bei diesem Thema also nicht generell um kognitive Einschränkungen generell, sondern speziell um kognitive Einschränkungen bei einer Epilepsie.

Zum Thema gehören auch die Behandlungsmöglichkeiten psychischer Begleiterkrankungen und kognitiver Einschränkungen und die Frage, wie geeignete Therapeuten und Therapeutinnen gefunden und eine durch die Krankenkassen finanzierte Therapie durchgeführt werden kann.

Auf Dissoziative oder auch Psychogene Nicht-Epileptische Anfälle genannte Anfälle werden wir in diesem Heft nicht eingehen, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen haben wir uns damit im Schwerpunkt der einfälle 157 erst vor zwei Jahren beschäftigt, und zum anderen haben diese Anfälle mit einer Epilepsie rein gar nichts zu tun – um das mal so pointiert zu sagen. Natürlich werden sie häufig mit epileptischen Anfällen verwechselt; natürlich werden die Betreffenden häufig in Einrichtungen des Versorgungssystems für Menschen mit Epilepsie behandelt und natürlich gibt es Menschen, die sowohl epileptische als auch dissoziative Anfälle haben. Dennoch handelt es sich bei Dissoziativen Anfällen um Symptome einer psychischen Erkrankung, die ernst genommen und behandelt werden, aber auf keinen Fall mit einer organisch bedingten Epilepsie verwechselt werden sollte.

Es gibt noch so vieles, was ich Ihnen/euch hier mitteilen möchte. Da der Platz jedoch begrenzt ist und sich alles andere im vorliegenden Heft findet, wünsche ich Ihnen/euch viel Spaß beim Lesen und viele neue Erkenntnisse.

In diesem Sinne grüßt Euch/Sie herzlich

Euer/Ihr

Norbert van Kampen

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