Einfälle Nr. 122 | 2. Quartal 2012

Editorial

Es passiert mir immer wieder, dass ich Neil Young als einen berühmten Menschen mit einer Epilepsie vorstelle und dann gefragt werde: Wer ist denn Neil Young? Für einen Menschen meiner Generation unvorstellbar, Neil Young nicht zu kennen – damals, in den Ausläufern der 1968er zusammen mit anderen Musikern ein Synonym für den Aufbruch in eine von Zwängen befreite Welt, in der jeder so glücklich werden
konnte, wie er wollte, und zwar unabhängig von Geschlecht, Ethnizität, sexueller Orientierung, Religion – und natürlich Behinderung.

War es nicht genau das, was die Epilepsie-Selbsthilfe und viele Andere damals erreichen wollten? Ein Leben, das nicht von der Krankheit/Behinderung bestimmt ist, sondern einfach nur lebenswert ist – befreit von allen Zwängen und Sorgen?

Sicherlich erscheint vieles im Rückblick romantischer; sicherlich hatten die 1968er auch ihre Schattenseiten. Tief im Herzen aber ist der Traum bei vielen geblieben
– und hat oft so gar nichts mit dem zu tun, wie Selbsthilfe sich heute darstellt: Anträge schreiben, sich um die Finanzierung kümmern, in Gremien arbeiten, politische Stellungnahmen abgeben, organisieren, verwalten… Wer hätte das damals schon gewollt? Und wer will das heute? Die „Alten“ haben ihre Illusionen verloren und die „Neuen“ keine Lust zu etwas, was die „Alten“ schon damals nicht wollten – ist es also ein Wunder, dass die Selbsthilfe in der Krise steckt?

Grund genug, uns die Frage nach unseren Wurzeln zu stellen und danach, was Menschen heute dazu bewegt, sich in der Selbsthilfe zusammenzuschließen, was den Menschen Selbsthilfe heute bedeutet – oder was an deren Stelle getreten ist. Denn: Obwohl sich vieles verändert hat, verlangt die Epilepsie den daran erkrankten Menschen immer noch einiges ab … Aber ich will den Gedanken der Autoren und Interviewten nicht vorgreifen, die sich auf den folgenden Seiten zu diesen Thema äußern – und zu dem, was es sonst noch zu berichten gibt. Nur so viel sei noch gesagt: Wir sehen in der Epilepsieselbsthilfe eine Zukunft und bauen auf die „Neuen“ und versuchen Neues – u.a. mit der neuen Kolumne „…das Letzte kommt zum Schluss“. Wer ebenfalls daran glaubt, kann gleich den Einleger nutzen und Mitglied werden oder einen Freund dazu gewinnen!

Wir wünschen Ihnen/Euch viel Spaß beim Durchlesen dieser einfälle und hoffen auf viele Leserbriefe, die sich kritisch mit unseren Beiträgen auseinandersetzen. Denn das ist uns wichtig: Der Austausch von Erfahrungen und Meinungen – der auch gerne konträr sein darf.

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