Einfälle Nr. 151 | 3. Quartal 2019

Liebe Leserinnen und Leser – liebe Freunde und Förderer,

mit dem Motto Epilepsie – echt jetzt? greifen wir ein Thema auf, bei dem viele unsicher sind: Wen soll ich wann und wie über meine Epilepsie informieren? Und warum soll ich das tun? Ich möchte den Beiträgen in dem vorliegenden Heft nicht vorgreifen, sondern drei Aspekte hervorheben, die in der Diskussion manchmal zu kurz kommen. Zum einen die vielen leidvollen Erfahrungen, die eine Epilepsie mit sich bringt und die den vielen positiven Erfahrungen und dem, was die Betreffenden erreicht haben, gegenüber stehen. Das Kunststück besteht darin, die leidvollen Erfahrungen und Einschränkungen nicht schönzureden – auf der der anderen Seite aber deutlich zu machen, dass die Epilepsie nur ein kleiner Teil der Person ist und oft mit dem, was der oder die Betreffende erreicht oder nicht erreicht hat, nichts zu tun hat.

Zum anderen wird in diesen Wochen bundesweit über Epilepsie gesprochen, weil es in Berlin einen schweren Verkehrsunfall gegeben hat, bei dem vier Menschen zu Tode gekommen sind. Obwohl die Unfallursache nach wie vor unklar ist, wird überall darüber spekuliert, ob der Fahrer des Unfallwagens möglicherweise einen epileptischen Anfall gehabt haben könnte. Einmal abgesehen davon, dass sich die Presse auf die Vermittlung von Fakten und nicht von Vermutungen konzentrieren sollte und abgesehen davon, dass bisher die Regelungen zur Fahreignung bei Epilepsie weitgehend korrekt wiedergegeben werden: Welches Licht wirft die Berichterstattung über diesen Unfall auf Menschen mit Epilepsie? Ist das die Art von Aufmerksamkeit, die wir wollen? Wie gehen wir damit um?

Zum dritten haben Studien gezeigt, dass der persönliche Kontakt zu Menschen mit Epilepsie die Vorurteile reduziert. Das wird bei anderen Erkrankungen nicht anders sein. Die Art und Weise, wie Menschen mit einer chronischen Erkrankung umgehen und darüber sprechen, hat demnach nicht nur Auswirkungen auf die Betreffenden selbst, sondern prägt zudem das Bild, was sich die Gesellschaft von der entsprechenden Erkrankung macht. Je authentischer Menschen mit Epilepsie also über ihre Erkrankung sprechen, umso weniger Vorurteile wird es langfristig geben. Darin liegt eine große Chance – aber auch eine Gefahr.

Beim zweiten großen Thema in diesem Heft beschäftigen wir uns mit den Lieferengpässen bei Medikamenten zur Epilepsiebehandlung. Der Bundesvorstand hat zu diesem Thema einen offenen Brief an Vertreter/-innen der pharmazeutischen Industrie geschrieben und diese aufgefordert, hier Abhilfe zu schaffen. Die Reaktionen dazu stehen noch aus – wir werden darüber im nächsten Heft berichten. Dennoch wird in einem der Beiträge dazu im vorliegenden Heft deutlich, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, sondern dass viele davon betroffen sind. Vielen Dank für die vielen Rückmeldungen von Ihnen/Euch dazu.

Wir hoffen, mit unserer an Fakten orientierten Berichterstattung und durch die Erfahrungsberichte in unseren Heften hilfreiche Denkanstöße zu geben und dazu beizutragen, dass Sie/Ihr eure eigene Position immer wieder kritisch hinterfragen könnt.

In diesem Sinne,

Ihr/Euer Norbert van Kampen

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