Einfälle Nr. 155 | 3. Quartal 2020

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde und Förderer,

wenn über Epilepsie in der Familie gesprochen wird, denken die meisten Menschen an die „klassische“ Kleinfamilie, die aus Vater, Mutter und ein bis zwei Kindern besteht – und natürlich hat in dieser Familie eines der Kinder eine Epilepsie. Inhaltlich geht es dann vor allem darum, welche Auswirkungen die Epilepsie auf das Familienleben hat und was die Eltern tun können, damit die Familie gut mit der Epilepsie zurechtkommt.

Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz. Unabhängig von der Epilepsie sind Familien heute vielfältiger, als sie es beispielsweise in den 1950’er Jahren waren. Wenn wir weiter zurückschauen wird deutlich, dass es die „klassische“ Kleinfamilie als hauptsächliche Familienform nur in einem sehr begrenzten Zeitraum gegeben hat. Die jeweils vorherrschende Familienform ist dabei eng mit gesellschaftlichen Entwicklungen und insbesondere mit der Ausdifferenzierung der Industrie- bzw. postindustriellen Gesellschaft verbunden – darauf gehen wir in unserem einleitenden Artikel zum Schwerpunkt kurz ein. Denn wenn es darum geht, tragfähige Konzepte zur Förderung von Familien – seien es nun Familien mit oder ohne Epilepsie – weiterzuentwickeln, ist das nur auf Grundlage der gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen möglich, ob die uns nun gefallen oder nicht.

Was die Epilepsie betrifft, können diese alle Familienmitglieder bekommen – auch der Partner/die Partnerin, die jungen Eltern noch kleiner Kinder oder die älter werdenden Eltern bereits erwachsener Kinder und auch nahe Angehörige. Was es jedoch für die anderen Familienmitglieder bedeutet, wenn in der Familie ein Elternteil, das zugleich immer auch Partner/Partnerin ist oder ein Mensch im höheren Lebensalter, der immer auch Teil einer Familie ist, an Epilepsie erkrankt, wird eher selten thematisiert. Deshalb versuchen wir in diesem Heft zumindest ansatzweise, uns nicht nur auf die Perspektive der Familien mit Kindern mit Epilepsie zu beschränken, sondern auch die anderen Familienmitglieder, die an einer Epilepsie erkrankt sind, einzubeziehen.

Ein weiterer Schwerpunkt sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf uns alle. Auf unseren ausgeschriebenen

Fotowettbewerb zu diesem Thema haben wir viele Rückmeldungen bekommen. Da die Frist aber erst vor wenigen Tagen abgelaufen ist, werden die Einsendungen zurzeit noch ausgewertet. In diesem Heft lassen wir deshalb erst einmal Menschen zu Wort kommen, die nur indirekt oder gar nichts mit Epilepsie zu tun haben. Vielleicht regen diese Berichte den einen oder die andere an, uns auch von ihren Erfahrungen zu berichten.

Darüber hinaus berichten wir über den bemerkenswerten Film „Die Krankheit der Dämonen“. Er thematisiert die Situation von Menschen mit Epilepsie und psychischen Erkrankungen in Burkina Faso. Der Film beschreibt schonungslos die menschenunwürdigen Zustände, unter denen diese Menschen dort leben – ist zugleich aber weder wertend noch bietet er einfache Lösungen an. Ergänzend dazu haben wir die Produzentin und Regisseurin des Films, Lillith Kugler, interviewt.

Gerne hätten wir Ihnen/Euch noch zwei Broschüren der Stiftung Michael vorgestellt, die beide gut in das Schwerpunktthema hineingepasst hätten, mussten aber aus Platzgründen darauf verzichten. Die bereits 2017 veröffentlichte Broschüre Epilepsie und Familie wendet sich an Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie. Die Broschüre Epileptische Anfälle bei älteren Menschen wurde vor kurzem veröffentlicht. Wer Lust hat, kann sich die Broschüren von der Webseite der Stiftung Michael herunterladen – vorgestellt werden sie im kommenden Heft.

Ich wünsche allen viel Spaß und neue Erkenntnisse beim Lesen dieser einfälle. Mögen wir alle gut durch den Herbst kommen, gesund bleiben und uns nicht mit dem Corona-Virus infizieren. Ausschließen kann eine Infektion keiner von uns, aber wir alle können dazu beitragen, das Risiko für uns und für andere zu minimieren – und genau das sollten wir auch tun.

In diesem Sinne grüßt Euch/Sie herzlich

Norbert van Kampen

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