Liebe Leserinnen und Leser,
als wir uns überlegt haben, das Thema „Epilepsie in Schule, Ausbildung und Beruf“ zum Schwerpunkt dieses Heftes zu machen, haben wir offenbar übersehen, dass das Thema so viele verschiedene Aspekte umfasst, auf die wir in nur einem Heft unmöglich eingehen können. Wir waren also gezwungen, Schwerpunkte zu setzen, uns auf bestimmte Punkte zu fokussieren – was natürlich die Gefahr beinhaltet, dass dadurch ein falsches Bild von allen Menschen entsteht, die an einer Epilepsie erkrankt sind.
Wenn in diesem Heft von Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt, Werkstätten, Förderbereichen etc. die Rede ist, sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Menschen mit Epilepsie in unterschiedlichsten Berufen – vom Niedriglohnsektor bis hin zu den Chefetagen großer Unternehmen – arbeiten; auch sind Schüler und Schülerinnen mit Epilepsie in allen Schulformen zu finden – ohne durch ihre Epilepsie in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt zu sein.
Aber es gibt eben auch die anderen: Menschen mit kognitiven Einschränkungen, Menschen mit einer Intelligenzminderung, Menschen, die aus welchen Gründen auch immer den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes nicht gewachsen sind oder nicht so einfach Zugang zu ihm finden – und um diese soll es in diesem Heft hauptsächlich (nicht ausschließlich) gehen. Da wir es aber dabei nicht bewenden lassen wollen, wird uns das Thema „Epilepsie in Schule, Ausbildung und Beruf“ auch in den kommenden Heften weiter beschäftigen.
Ein weiteres wichtiges Thema, mit dem wir uns aus Platzgründen erst im kommenden Heft beschäftigen werden, ist die Aufarbeitung der Corona-Pandemie, ein Thema, über das zumindest in den öffentlich-rechtlichen Medien derzeit viel berichtet wird – aber eben nur da. Ich finde es schon einigermaßen befremdlich, dass das in der Politik kein Thema zu sein scheint. Jens Spahn (CDU), der zu Beginn der Pandemie amtierende Gesundheitsminister, hat damals gesagt: „Wir werden uns viel zu verzeihen haben.“ Verzeihen setzt aber die Einsicht in Fehler voraus – und darüber ist bei Jens Spahn, der in einem Interview sagte, er habe jetzt andere Schwerpunkte, wenig zu spüren. Der noch amtierende Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist immerhin der Ansicht, eine Aufarbeitung wäre dringend erforderlich – allein die Taten fehlen. Wir würden uns freuen, wenn sich unsere Leserinnen und Leser mit einem Beitrag oder Leserbrief an der Diskussion über die Aufarbeitung der Corona-Pandemie beteiligen würden.
Warum ist das so wichtig? Ich denke, dass die starke Einschränkung der Grundrechte während der Pandemie – ohne deren Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit an dieser Stelle bewerten zu wollen – wesentlich dazu beigetragen hat, dass die rechten und rechtsradikalen Strömungen in Deutschland aktuell einen derartigen Zulauf haben. Ich finde es erschreckend, dass nahezu alle Parteien die Migration und das ihrer Meinung nach zu laxe Asylrecht für die derzeitige „Spaltung der Gesellschaft“ verantwortlich machen und nicht nach den tatsächlichen Ursachen dafür suchen – und damit letztlich die anti-demokratischen Strömungen eher unterstützen als sie zu bekämpfen.
Und da sind wir wieder bei der Politik … Mir ist vorgeworfen worden, dass in meinem Editorial und in der Rubrik „Aufgefallen“ zu viele politische Aussagen enthalten sind und deshalb wohl schon einige Mitglieder die DE verlassen hätten. Es solle ein persönliches Gespräch mit mir geführt und mir nahegelegt werden, „positiver“ zu schreiben. Da musste ich erstmal schlucken – nicht etwa, weil ich keine Kritik ertragen kann, sondern weil mir diese Kritik charakteristisch für das zu sein scheint, was derzeit in Deutschland passiert.
Einmal abgesehen davon, dass die Beteiligung an politischen Willensbildungsprozessen (§ 2 Abs. 2 Satz k der Satzung unseres Bundesverbandes) und die Vertretung der Menschen mit Epilepsie gegenüber gesetzgebenden Behörden etc. (ebd. Satz g und i) zu den Kernaufgaben unseres Vereins gehört, ist hier offensichtlich nicht generell die Politik gemeint, sondern wohl eher die Inhalte meiner Aussagen. Statt sich aber damit sachlich auseinanderzusetzen und den Dialog zu suchen, soll ich meine Meinung nicht mehr offen vertreten, soll „positiver“ schreiben – zumindest an dieser Stelle. Ist es das, was so viele derzeit unter „Meinungsfreiheit“ verstehen?
Deshalb mein Angebot: Wenn jemandem etwas an meinen Aussagen nicht gefällt, teile er/sie uns das bitte mit – entweder in Form eines Leserbriefs oder auch eines kurzen Beitrags. Solange ihr dabei sachlich bleibt, werden wir eure Zuschriften ungefiltert veröffentlichen – so, wie wir das schon immer getan haben.
In diesem Sinne,
Euer/Ihr
Norbert van Kampen
WICHTIGER HINWEIS: Dieses Heft enthält die offizielle Einladung zur Mitgliederversammlung incl. Tagesordnung sowie einen Antrag zu Satzungsänderung im Sinne des Vereinsrechts. Wir bitten um Beachtung. Eine weitere Einladung erfolgt NICHT.